Einmal Schulden − immer Schulden?
Nach neusten Erhebungen sind in der Schweiz gegen eine Million Menschen von finanziellen Problemen betroffen, davon ist fast eine Viertelmillion überschuldet. Ein unerwartetes Ereignis wie Scheidung, Krankheit oder Arbeitsplatzverlust kann das Budget aus der Balance bringen und schlimmstenfalls in einen Teufelskreis führen. Hier kann die Budget- und Schuldenberatung unter der Tägerschaft der Frauenzentrale des Kantons St.Gallen Unterstützung anbieten und Lösungswege aufzeigen.
Was ist eine Schuldenberatung?
In der Schuldenberatung erhalten überschuldete Klientinnen und Klienten Hilfestellung, um eine wirtschaftliche Sanierung und psychosoziale Stabilität zu erreichen. Wichtig dabei ist die Berücksichtigung ökonomischer und sozialen Kriterien sowie die psychische und physische Verfassung der Verschuldeten. Als erster Schritt ist die Erstellung eines Budgets unumgänglich.
Wofür gebe ich mein Geld aus?
Es gibt zahlreiche Ausgaben, deren Höhe uns nicht immer vollständig bewusst ist. Ausgaben, die einzeln betrachtet nur Kleinigkeiten zu sein scheinen, doch über den Monat beachtliche Summen ergeben. Kauft jemand täglich vor der Arbeit einen Energiedrink und ein Gipfeli am Kiosk, werden dafür bereits etwa 100 Franken im Monat ausgegeben. Viele Leute sind erstaunt, wenn man ihnen diese Rechnung präsentiert.
Wofür ein Haushaltbudget?
Dieses Budget hilft, die eigene finanzielle Situation der Realität entsprechend zu erkennen und im Auge zu behalten. Gerade bei Schuldenproblemen ist es unerlässlich, die Finanzen genau zu kennen. So ist auch sofort ersichtlich, ob eine Anschaffung möglich ist oder nicht. Das Budget zeigt auch auf, welche Fixkosten jeden Monat und im Jahr anfallen und welche variablen Kosten dazukommen. Es gibt Situationen, in denen jemand äusserst sparsam lebt und das nötige Einkommen trotzdem nicht reicht. In diesem Fall müssen auch die Fixkosten den finanziellen Gegebenheiten angepasst werden. Dies dauert oft etwas länger, denn eine neue Wohnung zu finden oder das Auto zu verkaufen ist kurzfristig kaum möglich. Für die Schuldenberatung und eine allfällige Schuldensanierung ist ein realistisches Budget notwendig, welches auch die Gläubiger überzeugt.
Was gehört in ein Budget?
- Die Einnahmen: Lohn oder Rente, ALV/IV/EL, Alimente, Kinderzulagen
- Die Auslagen: Fixkosten wie Miete inkl. Nebenkosten, Kommunikation und Strom, Steuern, Versicherungen, Verkehrsmittel, Autokosten. Variable Kosten wie Haushaltkosten, persönliche Auslagen, Hobbys, Reisen, Sparen
- Wie kann ich meine finanzielle Situation verbessern?
Um eine gesunde Finanzsituation zu erhalten, müssen Massnahmen auf zwei Ebenen ergriffen werden:
- Variable Kosten dämpfen mit Konsumverzicht und den Gürtel enger schnallen. Allfällig vorhandene Suchtprobleme in den Griff bekommen.
- Die Zahlungsverpflichtungen reduzieren, um Rückstellungen anzulegen. Damit können Probleme vermieden werden, die durch Krankheit, Scheidung oder Arbeitslosigkeit erneut entstehen würden.
- Was kann zu Schulden führen?
Nicht bezahlte Rechnungen, offene Krankenkassenprämien, Steuerschulden, Verlustscheine, ausstehende Mietzinszahlungen, überzogene Bankkonten, Kreditkartenbelastungen und hohe Leasingraten verursachen Schulden, die den Alltag schwer belasten. Oft beginnt es harmlos und niemand ahnt, wohin das führen wird. Man gründet einen Haushalt, benötigt einen neuen Fernseher oder ein Auto. Das vorhandene Geld reicht für die Anschaffungen nicht aus, doch Banken, Möbelgeschäfte und Warenhäuser bieten günstige Möglichkeiten, sich die materiellen Wünsche rasch zu erfüllen. Die Ware wird geliefert und bezahlt wird in kleinen Raten über lange Zeiträume hinweg.
Die ersten Anzeichen für eine Verschuldung
Intensiver Einsatz von Plastikgeld, Bestellungen bei Versandhäusern und im Internet
Krediterhöhung bis zum Limit bei Zahlungsproblemen
Geld leihen im Freundeskreis, Vorschuss beim Arbeitgeber erfragen
Zahlungen aufschieben, die vermeintlich nicht drängen – oft zuerst die Steuern, dann die Krankenkasse
Diese Vorgehensweisen deuten auf eine sich anbahnende Verschuldung hin. Jetzt wäre es höchste Zeit, sich professionelle Hilfe zu holen, um die finanzielle Situation wieder in den Griff zu bekommen und eine Verschuldung abzuwenden. Von einer Verschuldung spricht man, wenn der Teil des Einkommens, der nach der Deckung des Existenzminimums übrig bleibt, nicht ausreicht, um die weiteren bestehenden Verpflichtungen in einem überschaubaren Zeitraum erfüllen zu können.
Im Teufelskreis der Schulden Verschuldete
Personen leiden oft unter Schlafstörungen, ängstigen sich vor dem Öffnen des Briefkastens, schämen sich, mit Freunden über die Situation zu sprechen. Sie fürchten sich vor Betreibungen mit Lohnpfändung, weil dadurch der Arbeitgeber von ihrer Situation erfährt. Meist kommen sie in die Beratung und erwarten eine schnelle Sanierung: Sie wollen ihre Schulden sofort los werden. Ein nachvollziehbarer Wunsch, es müssen zuerst aber diverse Schritte unternommen werden:
Den Rahmen festlegen und die notwendigsten Ausgaben definieren (und oft das Notwendigste auch sicher stellen, indem die Zahlungsprioritäten neu festgelegt werden).
Ein realistisches und ausgeglichenes Haushaltbudget auf der Basis des Existenzminimums aufstellen, d.h. notwenige Massnahmen einleiten und allenfalls Verluste miteinbeziehen.
Das erste Ziel ist die Stabilisierung der Situation: Leben mit Schulden und keine neuen vermeidbaren Schulden eingehen. Parallel zu diesen drei Schritten muss geklärt werden, welche Forderungen berechtigt und welche unberechtigt sind wie überhöhte Forderungen aus Kreditvergaben oder die Kosten für die Auflösung von Leasingverträgen. Wenn eine Stabilität erreicht und eine Quote (Überschuss von Einnahmen und Ausgaben) vorhanden ist, besteht die Möglichkeit für eine Sanierung.
Wie läuft die Schuldenberatung ab?
Telefonische Anmeldung für die Erstberatung im Rahmen von 1 bis 1½ Stunden. Die Erstberatung ist kostenpflichtig: 80 bis 150 Franken je nach Einkommen und Aufwand (es besteht aber auch die Möglichkeit für eine Kostenübernahme). Gespräch und Abklärungsphase mit Sichtung der Schulden und Budgeterstellung. Die Hilfesuchenden bringen folgende Unterlagen mit:
Lohnausweise der letzten drei Monate
Mietvertrag und Krankenkassenprämien
sämtliche offenen Rechnungen
Bussen und Strafmandate
Abmachungen/Kredite von Privaten
Detaillierter Betreibungs- und Verlustscheinregisterauszug des gegenwärtigen Wohnortes und der früheren Wohnorte
Weiteres Vorgehen: − Aktuelles Budget aus der Sicht des Verschuldeten erstellen. − Betreibungsrechtliches Existenzminimum aus der Sicht des Gläubigers bestimmen. − Sanierungsbudget aus der Sicht der Budget- und Schuldenberatung erstellen. Das Sanierungsbudget umfasst das betreibungsrechtliche Existenzminimum mit den laufenden Steuern und einem Freibetrag (200 bzw. 300 Franken) plus Gesundheitskosten und Kosten für die Kinder. Nach der Abklärungsphase: − Finanzbegleitung − Konkursberatung − Schuldensanierung mit aussergerichtlichem Nachlassvertrag, Ratenvergleichen und Ratenvereinbarungen − Leben mit Schulden d.h. die Überschuldungslage bleibt bei keinem oder nur wenig pfändbarem Einkommen und Vermögen auf unabsehbare Zeit bestehen. Auch ein Privatkonkurs bringt keine Stabilisierung, eine Neuverschuldung würde entstehen. Es müssen Möglichkeiten der Budgetentlastung geprüft werden, evtl. können Erlassgesuche und Finanzunterstützungsgesuche geschrieben werden.
Wann kommt es zu einer Schuldensanierung? Die Voraussetzungen: − Ein regelmässiges, gesichertes Einkommen, das über dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum liegt und monatliche Rückstellungen von 1/12 der laufenden Steuern sowie eine angemessene Quote zur Tilgung der Schulden zulässt. − Hohe Motivation, sich über Monate oder Jahre finanziell sehr einzuschränken und keine neuen Schulden zu machen. − Disziplin, die im Rahmen der Schuldensanierung eingegangenen Verpflichtungen jeden Monat fristgerecht zu erfüllen. − Das Einverständnis der Gläubiger muss vorliegen. Wenn die Schuldenlage geklärt ist, braucht es unter Umständen weitere Massnahmen: − Kontenplan mit monatlichen Rückstellungen für die Budgetumsetzung erstellen. − Effektive Ausgaben laufend mit dem Sanierungsbudget vergleichen und die Umsetzung besprechen. − Eventuell eine Stundung bei den Gläubigern für 2 bis 3 Monate beantragen. − Rückzahlungsplan für die Schulden erstellen. − Steuererklärung ausfüllen und eventuell Steuererlassgesuch stellen. − Gesuche an Stiftungen und Fonds verfassen für allfällige Sonderausgaben wie Zahnarztrechnungen, Schulgelder, Therapien. Jede Schuldenberatung, jede Schuldensanierung, die erfolgreich verläuft und den ehemals Verschuldeten wieder ein Leben in finanzieller und sozialer Sicherheit ermöglicht, ist ein Gewinn für die Gesellschaft, den Staat und die Wirtschaft. Darum lohnt es sich, jeden Fall von Verschuldung abzuklären und bestmögliche Lösungen zu suchen. Eine niederschwellige Budget- und Schuldenberatung für die Bevölkerung müsste daher einen hohen Stellenwert bei den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft haben.